Ist das Schweigen gebrochen?

Ist das Schweigen gebrochen?

30 Jahre nach der Einrichtung von Krisenzentren für Vergewaltigungen werden die Frauen gehört.

Geschrieben von der doctor-Redaktion Aus dem doctor-Archiv

27. März 2000 (Berkeley, Kalifornien) -- Mehr als einmal pro Minute, 78 Mal pro Stunde, 1.871 Mal pro Tag werden Mädchen und Frauen in Amerika vergewaltigt.

Wenn dieses traumatische Ereignis einer Frau in der Nähe des Duke University Medical Center in Durham, N.C., widerfährt, bleibt ihr jetzt das grelle Licht der Notaufnahme erspart.

Stattdessen wird sie während der notwendigen medizinischen Behandlung, der Spurensicherung und der polizeilichen Befragung in einem sanft beleuchteten Raum mit bequemen Möbeln und pastellfarbenen Wänden betreut.

Das medizinische Personal - darunter speziell geschulte Krankenschwestern, die mit modernsten Geräten Beweise sammeln - wird das Notwendige tun, aber auch auf die emotionalen Bedürfnisse der Überlebenden achten, egal ob sie 15 oder 45 Jahre alt ist. Es wird das gesamte Spektrum der Betreuung zur Verfügung stehen, von geschulten Beratern bis hin zu praktischen Dingen wie frischer Kleidung und Toilettenartikeln.

Vieles hat sich verändert, seit vor 30 Jahren im Gefolge der New Yorker "Break the Silence"-Bewegung die ersten Krisenzentren für Vergewaltigungen entstanden sind. Die Botschaft war tiefgreifend und eindringlich, sagt Marybeth Carter von der California Coalition Against Sexual Assault (CALCASA): Vergewaltigung betrifft uns alle, und Sie sind nicht allein.

Aus dieser frühen Bewegung heraus entstanden die ersten Hotlines, die zunächst von ungeschulten Freiwilligen besetzt waren. Als Gail Abarbanel 1974 erkannte, dass Frauen, die vergewaltigt worden waren, nirgendwo Hilfe finden konnten, gründete sie das Rape Treatment Center in Santa Monica, Kalifornien, das sowohl psychologische als auch medizinische Hilfe anbietet.

Spezialisierte Betreuung nach einer Vergewaltigung

Als im vergangenen Herbst das speziell konzipierte Zentrum in Duke eröffnet wurde, schloss es sich einem landesweiten Trend zu einer sanfteren, spezialisierten und effektiveren Behandlung nach einem Übergriff an. Die Einrichtung wurde, wie andere im ganzen Land, bewusst als sichere, ruhige Umgebung konzipiert, in der Patienten, die ein sexuelles Trauma erlitten haben, mehr als nur eine medizinische Notfallbehandlung angeboten werden kann.

Es gibt immer mehr Belege dafür, dass ein frühzeitiges Eingreifen und eine sofortige Beratung die Genesung von Vergewaltigungsopfern beschleunigen. In jedem Bundesstaat gibt es inzwischen CASA-Programme (Coalitions Against Sexual Assault) zur Unterstützung von Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer und der von ihnen betreuten Klienten. In den meisten Bundesstaaten gibt es inzwischen Reaktionsteams für sexuelle Übergriffe (Sexual Assault Response Teams, SARTs), die sich aus speziell geschulten Juristen, Medizinern, Beratern und Anwälten zusammensetzen.

Solche Teams bieten heute routinemäßig Beratung zu sexuell übertragbaren Krankheiten, HIV, Schwangerschaft, Infektion und anderen Risiken an. In der Regel haben sie die Pille danach sowie andere Behandlungen und Medikamente für spezielle medizinische Bedürfnisse vorrätig. Geschulte Beraterinnen und Berater stehen 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Einige Einrichtungen, wie z. B. das Stuart House in Santa Monica, bieten spezielle Dienste nur für vergewaltigte Kinder an.

Fortschritte in der psychologischen Betreuung

Die Forschung unterstreicht das tiefe und komplexe Trauma, das Vergewaltigungsopfer erleben. In einer vom National Institute of Drug Abuse finanzierten Studie wurde Anfang der 1990er Jahre festgestellt, dass Überlebende ein erhöhtes Risiko für ein breites Spektrum psychischer Probleme haben, von Selbstmordversuchen über zunehmenden Drogen- und Alkoholmissbrauch bis hin zu schweren depressiven Episoden.

Die posttraumatische Belastungsstörung, ein schwächender Zustand, der nach einem Trauma wie einem Kampf auftritt, ist heute als häufige Folge einer Vergewaltigung anerkannt, sagte Ivonne Zarate, Bildungskoordinatorin des Santa Barbara Rape Crisis Center. Zarate stellte fest, dass eine Form dieser Störung - das so genannte Vergewaltigungstraumasyndrom (RTS) - ein Drittel der Vergewaltigten irgendwann in ihrem Leben trifft.

Glücklicherweise sind die Anwälte und Berater in vielen Vergewaltigungstraumazentren darin geschult, die körperlichen, geistigen und verhaltensbezogenen Stressreaktionen zu erkennen, die mit dem RTS einhergehen, und können das Problem frühzeitig angehen. Auch Ehepartner, Kinder, Liebhaber und Freunde können von der Vergewaltigung eines Überlebenden stark betroffen sein. Die meisten Krisenzentren bieten kostenlose Beratung für alle Personen in ihrem Umfeld an.

Trotz aller Neuerungen fallen jedoch die meisten Menschen durch die Maschen. Laut einer Umfrage des US-Justizministeriums zeigen nur etwa 16 % der Vergewaltigungsopfer - egal welchen Alters - das Verbrechen überhaupt erst an. Insgesamt, so Marybeth Carter, muss die Botschaft immer noch in den Gemeinden, bei den Eltern und den Ärzten ankommen: Vergewaltigung kann jeden treffen, überall - und wenn dies der Fall ist, ist eine umfassende Betreuung unabdingbar.

Jolie Ann Bales ist Rechtsanwältin in Berkeley, Kalifornien. Sie hat für eine Reihe von Rechts- und Wirtschaftspublikationen geschrieben.

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