Verschiedene psychologische Theorien versprechen, die kompliziertesten Aspekte des Heranwachsens in der Kindheit und Jugend zu erklären. Die einflussreichste wurde jedoch von dem Psychologen Erik Erikson in den 1950er Jahren formuliert. Die von ihm beschriebenen Stadien sind eng mit den Theorien Freuds verbunden, enthalten aber auch Hinweise auf soziale Dynamiken und deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung.
Seit Erikson die nach ihm benannten Stadien vorstellte, haben sie in verschiedenen Studienbereichen eine wichtige Rolle gespielt, darunter in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Gerontologie. Konzepte, die wir heute als selbstverständlich ansehen, wie die Identitätssuche im Teenageralter und die Midlife-Crisis, lassen sich auf Erikson und seine Phasen zurückführen. Heute bietet diese Theorie sowohl persönliche Einblicke als auch Anleitungen für Eltern, die ihren Kindern bei den wichtigsten Herausforderungen des Lebens helfen wollen.
Stufe Eins: Vertrauen vs. Misstrauen
Diese erste Phase beginnt mit der Geburt und dauert bis etwa 18 Monate. Sie wird manchmal als "orale sensorische Phase" bezeichnet, wobei das wichtigste Ereignis in dieser Zeit die grundlegende Nahrungsaufnahme ist. Darüber hinaus liegt das Hauptaugenmerk auf dem Aufbau einer liebevollen und ansprechbaren Beziehung zwischen Kind und Eltern.
Diejenigen, die diese Phase erfolgreich durchlaufen, haben ein allgemeines Gefühl des Vertrauens in die Welt um sie herum. Wenn die Bedürfnisse der Kinder in dieser Zeit nicht konsequent erfüllt werden, können sie Misstrauen oder sogar Gefühle der Wertlosigkeit entwickeln.
Stufe zwei: Autonomie vs. Scham
Diese Phase, die den größten Teil des Kleinkindalters umfasst, beinhaltet das Erlernen verschiedener neuer Fähigkeiten, die es den Kindern ermöglichen, unabhängiger zu werden. Zusätzlich zu den neuen Meilensteinen wie Laufen und Sprechen beginnen Kleinkinder in dieser Phase, ihren Willen durchzusetzen, indem sie Nein sagen. Wenn Kinder bei der Entwicklung wichtiger neuer Fähigkeiten beschämt werden, kann ihr Selbstwertgefühl mit zunehmendem Alter sinken.
Dritte Stufe: Initiative vs. Schuldgefühle
Mit dem Eintritt in die Vorschule und den Kindergarten werden die Kinder phantasievoller und zeigen mehr Initiative beim Spielen. In dieser Zeit sollten Eltern und Erzieher den Kindern die Möglichkeit geben, Entscheidungen zu treffen und ihre Gefühle auszudrücken.
Vierte Phase: Industrie vs. Unterlegenheit
In dieser Phase, die manchmal auch als "Latenzphase" bezeichnet wird, geht es um die Qualität der Industrie, in der die Kinder eine Vielzahl neuer Fähigkeiten erwerben. Die Eltern bleiben in dieser Zeit wichtig, aber die Schule und die Gemeinschaft sind die treibenden Kräfte im Leben der Kinder. Wenn sie gegenüber Gleichaltrigen Minderwertigkeits- oder Unzulänglichkeitsgefühle entwickeln, können sie in der Adoleszenz und darüber hinaus Probleme mit Kompetenz und Selbstwertgefühl bekommen.
Fünftes Stadium: Identitäts- und Rollenverwirrung
Vor der Adoleszenz verläuft die Entwicklung größtenteils als Reaktion auf äußere Faktoren, wobei die Kinder auf ihre Situation reagieren, anstatt das Schiff zu steuern. In der fünften Phase jedoch beginnen die Jugendlichen, das Ruder in die Hand zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt müssen sie herausfinden, wer sie außerhalb des Einflusses ihrer Familie sind. In dieser Zeit probieren sie vielleicht verschiedene Identitäten und neue Outfits aus. Wenn sie diese Phase jedoch erfolgreich hinter sich lassen, wissen sie, wer sie sind und was sie erreichen können.
Sechste Stufe: Intimität vs. Isolation
Eriksons Theorie besagt, dass Menschen, sobald sie die identitätssuchende Phase der Adoleszenz hinter sich gelassen haben, in eine Lebensphase übergehen, die auf intime Beziehungen ausgerichtet ist. Dazu können sowohl Romanzen und Ehen als auch Freundschaften und Kinder gehören.
Wie sich junge Erwachsene in dieser Phase verhalten, kann ihre späteren Beziehungen beeinflussen und sogar zu Eheproblemen oder Scheidung führen. Diejenigen, die diese Phase erfolgreich durchlaufen, werden enge, offene Beziehungen zu den wichtigsten Menschen in ihrem Leben haben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie sich von anderen distanziert fühlen.
Stufe Sieben: Generativität vs. Stagnation
Nach dem Aufbau starker zwischenmenschlicher Beziehungen besteht der nächste Schwerpunkt im Leben darin, ein Vermächtnis zu hinterlassen und einen positiven Einfluss auf die größere Gemeinschaft zu haben. Der Gesellschaft etwas zurückzugeben, kann verschiedene Formen annehmen, z. B. sinnvolle Leistungen bei der Arbeit und bei der Kindererziehung.
Achte Stufe: Integrität vs. Verzweiflung
In dieser letzten Phase von Eriksons Theorie geht es vor allem darum, auf das bisher Erreichte zurückzublicken. Während dieser Zeit denken die Senioren darüber nach, ob sie ein sinnvolles Leben geführt haben. Sie setzen sich auch mit dem Gedanken der Sterblichkeit auseinander, da sie mit persönlichen Gesundheitsproblemen konfrontiert werden und sich mit dem Tod geliebter Menschen auseinandersetzen. Trotz dieser Herausforderungen erleben viele Menschen im Alter eine tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit.